
Linda Saflor
Die blöde Atmosphäre
Manchmal frage ich mich, wie andere Leute schreiben. In Filmen sieht es immer so romantisch aus. Der wunderschöne Holzschreibtisch am Fenster mit Blick in die Landschaft, ein Tisch in einem hippen, bunten Café oder gemütlich auf dem Sofa mit dem Laptop auf dem Schoß. Aber natürlich ist das Wohnzimmer dabei hübsch und aufgeräumt, im Kamin knistert ein Feuer und der Regen trommelt geheimnisvoll gegen die Fensterscheibe.
Wenigstens einmal im Leben würde ich das auch gern so machen. Ich frage mich, ob das die Qualität meiner Geschichten wohl verbessern würde oder ob es überhaupt einen Unterschied macht. Vielleicht wäre ich produktiver oder eher in Schreibstimmung. Aber ich habe keinen Kamin, mein Wohnzimmer ist niemals aufgeräumt und eine tolle Aussicht habe ich auch nicht - ich schaue auf die Straßenbahnhaltestelle und den Dönerladen hinter dem Haus. Ich schätze, ein hippes Café ließe sich hier in Leipzig auftreiben, vorausgesetzt ich nehme mir die Zeit, dafür erstmal in die Stadt reinzufahren. Aber Corona macht diese Option auch irgendwie unattraktiv.
Im November bin ich mit meinem Sohn hierhergezogen und ich habe immer noch nicht alle Kisten ausgepackt. Auch egal. Trotzdem ist das Schreiben in den letzten Monaten etwas untergegangen und das muss dringend geändert werden. Ein halbes Jahr ist vergangen, seit ich diese Website erstellt und, wie erwartet, gleich wieder vernachlässigt habe.
Neue Schreibwettbewerbe zu suchen, an denen ich teilnehmen kann, steht noch genauso auf der To-Do Liste wie letzten Sommer. Und meine Langzeitprojekte warten auch auf Aufmerksamkeit.
Trotzdem, ich bin froh über den Umzug. Ich habe unsere letzte Wohnung gehasst, genau wie das Dorf, in dem wir gewohnt haben. Nicht, weil ich grundlegend das Landleben nicht mag, ganz im Gegenteil. Aber mit erzkonservativen, äußerst aufdringlichen Nachbarn und einem Altersdurchschnitt von 65 kann ich nicht ganz so viel anfangen.
Ich hoffe wir haben Corona bald hinter uns. Leipzig wartet und ich stehe ungeduldig in den Startlöchern für ein bisschen Kultur und Leben.
Ich schätze, das muss reichen als Motivation und Schreibatmosphäre. Die Kisten räume ich nach und nach aus, sie tun ja keinem was. Und mein Wohnzimmer ist eben wie es ist.